Neue Weizensorten bewähren sich auch unter widrigen Anbaubedingungen
Über Jahrzehnte sind in Westeuropa die Weizenerträge bedingt durch den Züchtungsfortschritt und eine Intensivierung der Landwirtschaft gestiegen. Diese Intensivierung ist besonders durch eine verbesserte Nährstoffversorgung und die Möglichkeit, durch Pflanzenschutz Ertragsverluste durch Schädlinge und Krankheiten zu verhindern, gekennzeichnet. Doch was, wenn sich die Anbaubedingungen verändern, d.h. sich das Klima ändert, die Düngergaben reduziert werden müssen und Pflanzenschutzmittel nicht mehr wie bisher zur Verfügung stehen? Haben dann moderne Hochleistungssorten gegenüber alten Sorten das Nachsehen? „Es ist ein Mythos, dass alte Sorten unter extensiven Bedingungen besonders gut abschneiden. Das haben unsere Versuche gezeigt“, sagt Dr. Holger Zetzsche vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Quedlinburg. Das JKI ist Partner in einem Großprojekt, bei dem 191 Weizensorten an sechs Standorten unter verschiedenen Bedingungen über drei Jahre angebaut wurden. Einer dieser Standorte war der JKI-Hauptsitz in Quedlinburg, der mit seiner Schwarzerde über den besten Ackerboden im Projekt verfügte. Darüber hinaus prüfte ein JKI-Team am Standort Groß Lüsewitz für alle Projektpartner die Qualität des Ernteguts hinsichtlich Proteingehalt und Backfähigkeit. Wie erwartet, bildeten die Versuche den Züchtungsfortschritt aus den vergangenen 50 Jahren ab: Die neuesten Sorten lieferten die höchsten Erträge und eine durchschnittliche Ertragssteigerung von etwa 32 kg/ha pro Jahr. Versuche mit reduziertem Stickstoffeinsatz und ohne Pflanzenschutzmittel zeigten überraschenderweise keinen geringeren, sondern sogar einen höheren Ertragszuwachs als im intensiven Anbau. Auch hier brachten die neuesten Weizensorten die höchste Leistung. Diese Sorten zeichneten sich insgesamt durch verbesserte Krankheitsresistenzen sowie erhöhte Nährstoffnutzungseffizienz aus und zeigten unter Dürrestress ebenfalls höhere Erträge als alte Sorten. „Unsere Ergebnisse bestätigen die Züchtungsstrategien der vergangenen Jahrzehnte und auch das behördliche Zulassungsverfahren, das für die Zulassung einer neuen Sorte einen landeskulturellen Wert fordert, in den neben der Ertragsleistung auch Resistenzen eingehen“, sagt Prof. Dr. Frank Ordon, Präsident des JKI und zugleich Leiter des JKI-Instituts für Resistenzforschung und Stresstoleranz. Einen solchen landeskulturellen Wert stellt zum Beispiel eine erhöhte Krankheitsresistenz dar, der vor dem Hintergrund künftiger Produktionsbedingungen eine besondere Bedeutung zukommt. Offensichtlich – so die Erklärung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – hat die Züchtung nicht nur den Ertrag, sondern auch die Gesamtleistung der Sorten unter diversen Stress- oder Mangelsituationen verbessert. Neuere Sorten wiesen auch eine bessere Ertragsstabilität auf. Eingehende Analysen des Erbguts aller Sorten offenbarten die genetischen Hintergründe des allgemein besseren Abschneidens moderner Sorten: Durch die langjährige Selektion auf Ertrag unter äußerst unterschiedlichen Anbaubedingungen fand offensichtlich im Laufe der Zeit eine ständige Akkumulation von vorteilhaften Genvarianten statt. Deren Effekte waren zwar im Einzelnen jeweils sehr klein, in der Summe jedoch wirkten sie positiv auf Nachhaltigkeitsmerkmale wie Wasser- oder Nährstoffeffizienz. Darüber hinaus zeigte sich, dass im Genpool moderner Sorten noch Potenzial für weitere Verbesserungen steckt. Holger Zetzsche weist aber darauf hin, dass die pflanzengenetischen Ressourcen alter Sorten eine wichtige Quelle für die künftige Verbesserung von Resistenzeigenschaften sind.