Nachbauprivileg nur bei Zahlung im betreffenden Wirtschaftsjahr
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 25.06.2015 (C-242/14) die Frage beantwortet, bis wann die Nachbaugebühr zu zahlen ist, um in den Genuss der Nachbauregelung zu kommen. Die oben genannte Entscheidung des EuGH lautet wörtlich:
Um in den Genuss der in Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vorgesehenen Ausnahme von der Pflicht kommen zu können, die Zustimmung des Inhabers des betreffenden Sortenschutzes einzuholen, ist ein Landwirt, der durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Pflanzensorte (hofeigenes Saatgut) genutzt hat, ohne hierüber vertragliche Vereinbarungen mit diesem Inhaber getroffen zu haben, verpflichtet, die nach Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich dieser Verordnung geschuldete angemessene Entschädigung innerhalb einer Frist zu zahlen, die mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs endet, in dem diese Nutzung stattgefunden hat, d. h. spätestens am auf die Wiederaussaat folgenden 30. Juni.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Am 16.12.2011 erfuhr die STV über einen Aufbereiter, dass die Beklagten im Wirtschaftsjahr 2010/2011 35 dt Saatgut der Wintergerstensorte Finita hatten aufbereiten lassen. Mit Schreiben vom 31.05.2012 forderte die STV die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.06.2012 auf, die Angaben bezüglich eines Nachbaus der Wintergerstensorte Finita zu prüfen und ihr Auskunft über diesen Nachbau zu erteilen. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens beantworteten dieses Schreiben nicht. Mit Schreiben vom 27.07.2012 verlangte die STV von den Beklagten Zahlung von 262,50 €, was der vollen Z-Lizenzgebühr für Finita entspricht, als Ersatz des aus dem verhehlten Nachbau dieser geschützten Sorte entstandenen Schadens. Mangels Zahlung erhob die STV am 18.03.2013 Klage auf Ersatz dieses Schadens.
Die STV begründete die (Schadensersatz-)Forderung damit, dass der Landwirt nicht unter die Nachbauregelung falle, weil er die Nachbaugebühr nicht gezahlt hat, und die Nachbauregelung als Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Zustimmung des Züchters zu Vermehrung, Aufbereitung und Inverkehrbringen sich nicht mehr auswirke. Daher hätte er die Zustimmung des Züchters für die Vermehrung gebraucht, die aber fehlt, so dass er unberechtigt vermehrt hätte. Nach EU-Recht sei der Landwirt verpflichtet, die Nachbauentschädigung unaufgefordert vor der Aussaat zu entrichten. Das Landgericht Mannheim hatte hiergegen Bedenken, weil EU-rechtlich ausdrücklich geregelt ist, dass die Zahlungspflicht für Nachbau erst mit der tatsächlichen Aussaat des Ernteguts entsteht. Dann stelle sich weiter die Frage, bis wann der Landwirt gezahlt haben müsse, um unter die Nachbauregelung zu fallen. Dazu hat das Landgericht Mannheim den EuGH angerufen.
Die Begründung des EuGH-Urteils:
Die Schadensersatzansprüche wegen Vermehrung ohne Zustimmung würden ins Leere laufen, wenn der Landwirt keiner Frist zur Zahlung der Nachbaugebühr unterliegen würde, weil er sich dann unbegrenzt auf die Nachbauregelung berufen könnte. Außerdem könnte er bei Fehlen einer Frist auch nach Entdeckung eines verschwiegenen Nachbaus seine Situation noch jederzeit durch Zahlung bereinigen. Da außerdem der Sortenschutzinhaber selbst für die Überwachung der Verwendung der geschützten Sorten verantwortlich ist, ist er auf die Ehrlichkeit und Kooperation der betroffenen Landwirte angewiesen, die ohne Frist dazu verleitet würden, die Zahlung unbegrenzt hinauszuzögern in der Hoffnung, ihr zu entgehen.
Der EuGH nimmt Bezug auf eine Regelung der EU-VO 1768/95 zur Ermittlung der Flächen von Kleinlandwirten und leitet daraus ab, welche zeitliche Vorstellung der EU-Gesetzgeber in diesem Zusammenhang hat. In dieser EU-VO 1768/95 über die Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Zustimmung des Züchters zu Vermehrung, Aufbereitung, Inverkehrbringen ist das Wirtschaftsjahr (1. Juli – 30. Juni des darauf folgenden Jahres) als relevanter Zeitraum für die Beurteilung festgelegt, wann stillgelegte Anbauflächen als Anbauflächen gelten, nämlich wenn in jenem Wirtschaftsjahr Prämien für diese Flächen gewährt werden. Danach sei das Wirtschaftsjahr vom EU-Gesetzgeber als relevante Frist aufgefasst, innerhalb derer die Nachbaugebühr als angemessene Ausnahmeentschädigung zu zahlen ist.
Wenn ein Landwirt im Falle des Nachbaus die angemessene Nachbaugebühr (Ausnahmeentschädigung) also nicht innerhalb des Wirtschaftsjahrs, in dem er das Erntegut nutzt, zahlt, fällt sein Handeln nicht mehr unter die Nachbauregelung. Anders ausgedrückt: Ein Landwirt, der das Nachbauprivileg nutzen will, muss bis spätestens 30.06. nach Aussaat des eigenen Ernteguts die Nachbaugebühr zahlen, sonst greift das Nachbauprivileg nicht.