EU-Gesetzespakete zu neuen Züchtungstechniken und pflanzlichem Reproduktionsmaterial verzögern sich

02.05.2023

Mit Spannung erwartet die Agrarbranche zwei angekündigte Gesetzesdossiers der EU-Kommission zu den Themen Neue Züchtungstechniken (NZT) und Pflanzenvermehrungsmaterial. Diese sollten eigentlich am 7. Juni 2023 veröffentlicht werden. Nun bestätigten Beamte der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz (GD SANTE), dass es zu Verzögerungen kommen wird. Beide Vorschläge werden voraussichtlich erst Ende Juni oder sogar erst im Juli vom Kollegium der Kommission (vergleichbar dem deutschen Regierungskabinett) angenommen. Ein Grund liegt dem Vernehmen nach darin, dass der Ausschuss für Regulierungskontrolle, der die Kommission bei Folgenabschätzungen und Evaluierungen im Frühstadium des Gesetzgebungsprozesses unterstützt, kein grünes Licht für die Folgenabschätzung zum NZT-Vorschlag gegeben hat.

Die Studie weist offenbar Mängel in der Untersuchung der Auswirkungen auf das Verbrauchervertrauen, den Biosektor, Umwelt und Gesundheit der Verbraucher auf und enthält keinen Überblick über Kosten und Nutzen der neuen Verfahren. Das EU-Recht besagt, dass infolge eines negativen Votums durch dieses Gremium eine Überarbeitung des Berichtsentwurfs und eine Neuvorlage an den Ausschuss stattfinden muss.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Frage der zukünftigen Gesetzesgrundlage für Neue Züchtungstechnologien hoch umstritten ist, gehen einige Branchenkenner sogar davon aus, dass es im Laufe der Amtszeit der aktuellen Kommission nicht mehr zu einem Abschluss des Verfahrens kommt und erst in der neuen Legislatur ab 2024 mit einem Fortgang zu rechnen ist. Offenbar will die Kommission die verschiedenen Gesetzesvorhaben unbedingt gemeinsam vorlegen – unter dem Titel „nachhaltige Agrarnahrungsmittelsysteme und Nutzung von Ressourcen“, so dass auch die geplante Überarbeitung der Saatgutrichtlinien sowie ggf. die Bodengesundheitsrichtlinie und die EU-Abfallrahmenrichtlinie in Bezug auf Lebensmittelabfälle verzögert werden.

In der Sache sind erste Informationen zur möglichen Regulierung von NZT durchgesickert. So stehen wohl 5 Optionen zur Diskussion.

  • Angefangen von einer Gleichbehandlung der NZT mit klassischen GVO-Pflanzen (Variante 1),
  • über eine Anpassung der Rechtsvorschriften bzgl. Risikobewertung und Zulassung verbunden mit einer Nachhaltigkeitskennzeichnung, wenn die NZT-Eigenschaft zur Nachhaltigkeit beiträgt (Variante 2)
  • oder eine Vorgabe, dass Antragssteller für eine Zulassung belegen müssten, dass Pflanzen, die durch NZT gewonnen wurden, Nachhaltigkeitsanforderungen nicht entgegenstünden (Variante 3),
  • bis zu einem Notifizierungsverfahren für Pflanzen, die auch natürlich vorkommen oder durch konventionelle Züchtung erzeugt werden könnten und für übrige Pflanzen Variante 1, 2 oder 3 gilt (Variante 4).

Die Kommission tendiert wohl zurzeit zu Variante 4 in Kombination mit 2 und weist explizit darauf hin, dass diese Option vergleichbar dem Ansatz sei, der von einer wachsenden Zahl von Drittländern verfolgt würde und somit den Handel am wenigsten beeinträchtigen würde.