Beizung und Behandlung von Saatgut
Allgemeines
Das Thema Beizqualität von Getreide sowie die Zulassung von Beizmitteln rückte in der Vergangenheit mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses bei Behörden und Verbänden und bleibt auch weiterhin Gegenstand aktueller Diskussionen in der Saatgutbranche. Stichworte wie „Zertifizierung“, „Checklisten“, „Audit“ und die im Mai 2011 neu gegründete Gesellschaft „SeedGuard“ beherrschen die aktuelle Diskussion um das Ziel, eine umweltfreundliche und optimale Beizqualität sicher zu stellen. Keine einfache Aufgabe wenn man bedenkt, dass in Deutschland derzeit jährlich ca. 1 Mio. Tonnen Getreide in rund 1.800 Beizstellen gebeizt werden. Dabei gehört das Beizen von Saatgut zu den schonendsten Maßnahmen zum Schutz der Pflanze vor samen- und bodenbürtigen Krankheiten. Allerdings muss mit hoher Präzision gearbeitet werden: Bei praxisüblicher Saatstärke werden z.B. bei Weizen ca. 2,2 Mio. Körner je Hektar ausgesät. Diese Menge entspricht einer behandelten Oberfläche von etwa 80 m²/ha. Auf dieser Oberfläche müssen - je nach Produkt - etwa 5 - 50 g Wirkstoff verteilt werden, dies entspricht einer rechnerischen Wirkstoffmenge von lediglich 0,0000022 g / Korn. Eine fachgerechte Beizung stellt demnach hohe Anforderungen an Technik, Mensch und Logistik.
Neben der chemischen Beizung stehen nun auch leistungsfähige Verfahren zur fachgerechten Saatgutbeizung wie die Elektronenbehandlung großtechnisch zur Verfügung. Da keine Wirkstoffe zum Einsatz kommen, ist die Elektronenbehandlung grundsätzlich auch für den ökologischen Landbau einsetzbar. Das Wirkungsspektrum des Verfahrens erfasst keine bodenbürtigen Krankheiten, bietet aber gute Bedingungen zur Anbeizung nützlicher Mikroorganismen und Mikronährstoffe. Die Elektronenbehandlung ist zulassungsfrei, induziert keine Resistenzen und kann für alle Saatgutarten eingesetzt werden. Die Elektronenbehandlung wirkt neben pilzlichen Krankheiten auch gegen bakterielle und virale Pflanzenkrankheiten sowie Schadinsekten am Saatgut.
An die chemische Beizung werden heute hohe Maßgaben gestellt: Die Vermeidung phytotoxischer Effekte („unter-/überbeizte“ Körner), die Verringerung von Staub durch optimale Reinigung vor dem Beizprozess und die Reduzierung des Staubabriebs zur Schonung der Umwelt, um Schäden wie das Bienensterben in 2008 zu verhindern. Seit diesem Unglücksfall arbeitet die Saatgutwirtschaft aus eigener Kraft – zunächst ohne entsprechende gesetzliche Notwendigkeit – gemeinsam mit der chemischen Industrie, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie dem Julius-Kühn-Institut (JKI) intensiv am Aufbau eines Qualitätssicherungssystems, der sogenannten Zertifizierten Beizstelle. Für die Raps-, Mais- und Rübenbeizung sind entsprechende Checklisten bereits fertiggestellt und werden umgesetzt. Die in Deutschland tätigen Anlagen in diesem Bereich sind zertifiziert. Bei Getreide mit seinen dezentralen Strukturen und einer Vielzahl von Anlagen wird weiterhin an einer Etablierung der zertifizierten Getreidebeizstelle gearbeitet. Die Saatgutbranche wartet derzeit dringend auf klare Signale – wie beispielsweise auf einen Heubach-Richtwert für Getreide – um das Projekt der zertifizierten Getreidebeizstelle weiter voran treiben zu können. In Kooperation mit professionellen Zertifizierungsstellen stellt die am 18. Mai 2011 gegründete SeedGuard Gesellschaft für Saatgutqualität mbH schließlich zukünftig sicher, dass Umwelt- und Anwenderfreundlichkeit der Beizung nachhaltig gesichert und perfektioniert werden. Die Gründungsgesellschafter Bundesverband der VO-Firmen e.V., Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., Deutsches Maiskomitee e.V., Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V., Deutscher Raiffeisenverband e.V., Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und der Industrieverband Agrar e.V. haben gemeinsam den Grundstein für SeedGuard gelegt.
Durchführungsverordnung zum Verbot bestimmter neonikotinoider Wirkstoffe
Am 25. Mai 2013 ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung 540/2011 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Die Kommission ist zu dem Schluss gelangt, dass sich ein hohes Risiko für Bienen nur dadurch ausschließen lässt, dass weitere Beschränkungen eingeführt werden. Daher ist es laut der EU-Kommission angezeigt, die Anwendungsarten der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid einzuschränken, besondere Maßnahmen zur Risikobegrenzung zum Schutz von Bienen vorzuschreiben und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die diese Wirkstoffe enthalten, auf gewerbliche Anwender zu beschränken.
Inhalt der EU-Änderungsverordnung (Auszüge):
- Verbot der Anwendung von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zur Saatgutbehandlung von Raps
- Verbot der Anwendung von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zur Saatgutbehandlung oder Bodenbehandlung für Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale und Weizen wenn diese Getreidearten zwischen Januar und Juni ausgesät werden
- Verbot der Anwendung von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zur Blattbehandlung für Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale und Weizen
- Saatgut der o.g. Kulturen und entsprechend des o.g. Anwendungszeitpunktes, das mit Clothianidin, Thiamethoxam oder Imidacloprid enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, darf ab dem 01. Dezember 2013 nicht mehr verwendet oder in Verkehr gebracht werden
- Wintergetreide ist von dem Verbot der Saatgutbehandlung und des Inverkehrbringens dieses behandelten Saatgutes ausdrücklich ausgenommen
- eine Aufbrauchfrist für Entsorgung, Lagerung, Inverkehrbringen und Verbrauch bestehender Lagerbestände in den Mitgliedstaaten muss so kurz wie möglich sein und endet spätestens am 30. November 2013
- einen zusätzlichen Erwägungsgrund, der die Möglichkeit vorsieht, unter bestimmten Bedingungen national weitere Maßnahmen zur Risikominderung oder Beschränkungen für das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit o.g. Wirkstoffen festzulegen
- einen Erwägungsgrund, der klarstellt, dass Versuche mit Pflanzenschutzmitteln, die eines der drei Neonikotinoide enthalten, als auch mit Saatgut, das mit einem der drei Neonikotinoide behandelt worden ist, weiterhin möglich sind
Spätestens bis zum 30. September 2013 müssen die Mitgliedstaaten die entsprechenden Zulassungen ändern oder außer Kraft setzen. Zur Umsetzung dieser Vorschriften hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in seiner Mitteilung vom 12. Juli 2013 für bestimmte Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen das Ruhen der Zulassung ab dem 1. Oktober 2013 angeordnet, und zwar für Mittel, die zur Saatgutbehandlung von Raps vorgesehen sind, sowie für Mittel des Haus- und Kleingartenbereichs. Für vier Mittel, die für die gewerbliche Spritzanwendung in verschiedenen Kulturen zugelassen sind, werden zusätzliche Anwendungsbestimmungen festgesetzt. Unverändert bleiben die Zulassungen für Mittel zur Saatgutbehandlung von Futterrüben, Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüsesaaten.
Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat im Bundesanzeiger Nr. 23 vom 12.02.2009 die Verordnung über das lnverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut veröffentlicht. Diese gilt seit dem 13.02.2009 und regelt, welche insektiziden Wirkstoffe zur Beizung von Mais erlaubt sind. Darüber hinaus enthält sie Auflagen hinsichtlich der Anwendung der Wirkstoffe am Saatkorn (Beizung) als auch Auflagen für die Aussaat. Im Überblick kurz die wesentlichen rechtsverbindlichen Inhalte der Verordnung:
- Die Verordnung regelt die Einfuhr von gebeiztem Maissaatgut, die Beizung und das lnverkehrbringen des gebeizten Saatgutes wie auch die Aussaat.
- Maissaatgut, das mit dem Wirkstoff Methiocarb (Mesurol flüssig) behandelt wurde, darf nur eingeführt, in Verkehr gebracht und ausgesät werden, wenn ein bestimmter Grenzwert für den Abrieb nicht überschritten wird (0,75 g je 100.000 Korn im Heubach-Verfahren). Dieser Grenzwert muss bei der Beizung eingehalten, mehrfach getestet und bei den Beizstellen dokumentiert werden.
- Maissaatgut, dem der Wirkstoff Clothianidin, lmidacloprid oder Thiamethoxam anhaftet, darf weder eingeführt, in Verkehr gebracht noch ausgesät werden.
- Für die Aussaat dürfen nur bestimmte Sägeräte verwendet werden. Das Julius Kühn-Institut hat hierzu bereits eine entsprechende Liste erstellt und im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Leitfaden zum Umgang mit chemisch gebeiztem Saatgut
Nach dem Bienensterben in der Oberrheinebene im Mai 2008 war die Wirtschaft aufgefordert, Lösungsansätze zu entwickeln, um die Emission von wirkstoffhaltigem Beizstaub in die Umwelt zu minimieren. Ein wichtiges Element einer umfassenden Qualitätssicherungsstrategie ist der so genannte "Leitfaden zum Umgang mit gebeiztem Saatgut", der gemeinsam von Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), Industrieverband Agrar (IVA), Deutsches Maiskomitee (DMK), der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop) sowie Gemeinschaftsfonds Saatgetreide (GFS) in Abstimmung mit den zuständigen Behörden erarbeitet wurde. Der Praxisleitfaden enthält Empfehlungen, um mechanische Belastung von gebeiztem Saatgut, dadurch entstehenden Abrieb sowie die Abdrift eventuell entstehender Stäube während der Aussaat zu minimieren. Der Leitfaden ist als Ergänzung der rechtlichen Vorgaben zu sehen. Die wesentlichen an die gesamte Vertriebskette gerichteten Empfehlungen sind der sorgfältige Umgang zur Vermeidung unnötiger mechanischer Belastungen von Saatgutsäcken bei Lagerung und Transport. Weiter sollten die Anwender bei der Reinigung von Sämaschinen Staubentwicklung vermeiden und Restsaatgut in wiederverschlossenen Originalverpackungen aufbewahren. Bei der Saat empfiehlt es sich zusätzlich zu den rechtlichen Vorgaben, die Saattiefe so einzustellen, dass die Bodendeckung gesichert ist; Landwirte, Züchter und Händler sollten verschüttetes Saatgut sofort zusammenzukehren und entfernen.
Zur Vermeidung von Staubabdrift empfehlen die Experten, bei Windgeschwindigkeiten von über 5 m/s die Aussaat zu unterbrechen. Die umfassenden Maßnahmen des Leitfadens sichern zusätzlich zu den behördlichen und rechtlichen Vorgaben den gewissenhaften Umgang mit dem sensiblen Produkt Saatgut.
Leitfaden für die Praxis zum Umgang mit chemisch behandeltem Z-Saatgut
Herausgeber: Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., Deutsches Maiskomitee e.V., Industrieverband Agrar e.V., Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V.
EU-Sonderbestimmungen zu Neonicotinoiden in 2010
Im EU-Amtsblatt vom 12. März 2010 wurde die Richtlinie 2010/21/EU veröffentlicht. Die Richtlinie umfasst Änderungen für den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates hinsichtlich Sonderbestimmungen zu Clothianidin, Thiamethoxam, Fipronil und Imidacloprid. Damit hat die EU auf das Bienensterben reagiert, und für die genannten Wirkstoffe zur Saatgutbehandlung zusätzliche Maßnahmen zur Risikobegrenzung festgelegt. Die Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, bis zum 31. Oktober 2010 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen, um dieser Richtlinie nachzukommen.
Unter anderen werden folgende Maßnahmen zum Schutz von Nichtzielorganismen, insbesondere Honigbienen vorgesehen:
- Die Applikation auf Saatgut wird nur in professionellen Saatgutbehandlungseinrichtungen vorgenommen. Diese Einrichtungen müssen die beste zur Verfügung stehende Technik anwenden, damit gewährleistet ist, dass die Freisetzung von Staub bei der Applikation auf das Saatgut, der Lagerung und der Beförderung auf ein Mindestmaß reduziert werden kann;
- Für die Drillsaat ist eine angemessene Ausrüstung zu verwenden, damit eine gute Einarbeitung in den Boden, möglichst wenig Verschütten und eine möglichst geringe Staubemission gewährleistet sind;
- Auf dem Etikett von behandeltem Saatgut ist anzugeben, mit welchem der genannten Wirkstoffe das Saatgut behandelt wurde, und dass die in der Zulassung genannten Maßnahmen zur Risikobegrenzung aufgeführt werden;
- Die Zulassungsbedingungen, insbesondere für Feldspritzanwendungen umfassen gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikobegrenzung zum Schutz von Honigbienen;
- Erforderlichenfalls werden Überwachungsprogramme zur Überprüfung der tatsächlichen Exposition von Honigbienen gegenüber genannten Wirkstoffen in von Bienen für die Futtersuche oder von Imkern genutzten Gebieten eingeleitet.