Bundesregierung zur Einstufung von neuen Züchtungsmethoden
Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur „Einstufung von und Umgang mit neuen Gentechnikverfahren“ hat die Bundesregierung mit Drucksache 18/10301 vom 10. November 2016 geantwortet. In einer Vorbemerkung stellt die Bundesregierung fest, dass zur Beantwortung der Kleinen Anfrage die Verfahren der Genome Editierung wie Oligonukleotidgesteuerte Mutagenese (ODM), Zinkfinger-Nuklease-Techniken (ZFN 1, 2 und 3), RNA-abhängige DNA-Methylierung (RdDM), das CRISPR1/Cas-Nuklease System und die „Transcription Activator-like Effector Nuclease“ (TALEN) sowie Cisgenese, Intragenese, Pfropfung, Agroinfiltration und „Reverse Breeding“ als Neue Techniken (NT) oder, soweit die Züchtung spezifisch betroffen ist, als Neue Züchtungstechniken (NZT) bezeichnet werden.
Weiter benennt die Bundesregierung sowohl Chancen als auch Risiken der NT bzw. NZT. Aus Sicht des BVO wesentliche Elemente aus der Antwort der Bundesregierung werden im Folgenden auszugsweise dargestellt.
Zu den Chancen:
- Im Bereich der Humanmedizin bieten die NT große Chancen zur Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln. Dadurch könnte die Heilung von bisher unheilbaren Krankheiten möglich werden.
- Was die NZT anbelangt, ergeben sich Chancen bei landwirtschaftlichen Nutzpflanzen z. B. bei der Entwicklung von mehltauresistenten Kartoffeln und Weizen, Feuerbrand resistenten Apfelbäumen, Kartoffeln mit unterdrücktem Saccharose-Abbau, Mais mit veränderter Stärkezusammensetzung, Champignons mit veränderter Enzymtätigkeit und Pilz-resistenten „Cavendish“-Bananen.
- Im Hinblick auf die anstehenden klimatischen Herausforderungen spielt beim Auftreten neuer Schaderreger und Krankheiten vor allem die Schnelligkeit eine große Rolle, mit der diese zukünftig bekämpft werden müssen. Einige Pflanzenkrankheiten wie beispielsweise der Weizenschwarzrost (Rasse Ug99) könnten die Getreideproduktion weltweit gefährden. Der Einsatz der NZT ist in der Resistenzzüchtung besonders erfolgversprechend. Damit ließe sich auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln senken.
- Die NZT zeichnen sich durch vergleichsweise einfache Handhabung sowie hohe Zeit- und Kosteneffizienz aus. Es erhöhen sich daher die Chancen, dass auch kleinere Züchtungsunternehmen die NZT nutzen können, die Produktivität und Ressourceneffizienz der gezüchteten Pflanzen und Tiere weiter erhöht wird und die NZT zum Beispiel auch bei weniger genutzten Kulturpflanzen zum Einsatz kommen könnten.
- Aus wissenschaftlicher Sicht wird mit NZT eine angestrebte Veränderung im Erbgut mit sehr viel höherer Präzision gezielt ausgelöst und nicht mehr zufällig wie durch chemische Einwirkung oder Bestrahlung
Zu den Risiken:
- Mit NZT besteht die Möglichkeit, mehrere Mutationen gleichzeitig oder in zeitlich kurzer Abfolge gezielt einzuführen. Die gegenseitige Beeinflussung der eingefügten Veränderungen kann zu unerwarteten Effekten führen. Mögliche direkte und indirekte Auswirkungen auf die Umwelt sowie Risiken, die sich daraus konkret für die Biodiversität ergeben könnten, sollten, soweit erforderlich, in einer einzelfallbezogenen Betrachtung abgeschätzt werden, die sich auf Labor- und Freilanddaten stützt.
- Es könnten sich Risiken daraus ergeben, dass gewünschte genetische Veränderung und die damit verbundene neue Eigenschaft auf unterschiedlichen Ebenen im Organismus (Genom, Epigenom, Stoffwechsel) sowie bei seiner Nutzung im Feld (Einfluss auf andere Organismen, geänderte Anbaupraxis) wechselwirken und sich hieraus unerwartete Risiken für die Umwelt entwickeln können.
- Weiterhin könnten sich bei NZT durch Wechselwirkungen der eingebrachten Veränderungen Risiken ergeben aufgrund der Geschwindigkeit und der Häufigkeit, mit der Veränderungen eingeführt werden können.
Zur wissenschaftlichen und rechtlichen Einordnung von pflanzlichen und tierischen Organismen, die mithilfe der NZT erzeugt wurden, antwortet die Bundesregierung wie folgt:
„Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch bei der Freisetzung und dem Inverkehrbringen von Organismen, die mittels neuer Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas9 erzeugt worden sind, unter Zugrundelegung des Vorsorgeprinzips und des Innovationsprinzips ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet wird. Vorbehaltlich einer anderweitig bindenden Entscheidung auf EU-Ebene wird zu diesem Zweck im Rahmen von Einzelfallprüfungen im Gentechnikrecht eine prozess- und produktbezogene Betrachtung und Bewertung zugrunde gelegt.“
Bereits im Rahmen des Agrarrats am 22. Oktober 2015 hatte sich die Bundesregierung zu der Frage, welche Organismen, die mit Hilfe bestimmter NZT unter das Gentechnikrecht fallen, nicht positioniert.
Darüber hinaus werden zur wissenschaftlichen und rechtlichen Einschätzung der NZT u.a. folgende Stellungnahmen aufgeführt:
- Abschlussbericht der „New Techniques Working Group“, der den EU-Mitgliedstaaten am 12. Januar 2012 übermittelt wurde
- Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) zu neuen Techniken für die Pflanzenzüchtung vom Juni 2012
- Stellungnahme des BVL zur gentechnikrechtlichen Einordnung von neuen Pflanzenzüchtungstechniken, insbesondere ODM und CRISPR-Cas9 (aktualisiert am 31.10.2016)
Zum weiteren Zeitplan führt die Bundesregierung aus, dass das oberste französische Verwaltungsgericht (Conseil d’Etat) am 3. Oktober 2016 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hat. Darin geht es insbesondere um die Auslegung des Begriffs der Mutagenese im Sinne der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG und, in diesem Zusammenhang, die Anwendbarkeit des Gentechnikrechts auf bestimmte NZT. Angesichts der üblichen Dauer von Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH geht die Bundesregierung davon aus, dass es voraussichtlich nicht vor 2018 zu einer diesbezüglichen Entscheidung kommt.