Virusepidemie rafft überall in Deutschland Erbsen- und Ackerbohnenbestände dahin

20.07.2016
Julius Kühn-Institut

Kranke Erbsen- und Ackerbohnenpflanzen gehen derzeit nicht nur regional, sondern aus ganz Deutschland bei Dr. Heiko Ziebell am Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig ein. Sie zeigen auffällige starke Vergilbungen und gestauchte Triebspitzen mit deformierten Blättern. Es handelt sich um die Symptome eines Nanovirus, einer Viruskrankheit, die in diesem Frühsommer flächendeckend ganze Felder an Hülsenfrüchten befallen hat.

„Zunächst schienen nur Erbsen befallen zu werden. Jetzt müssen wir mit Erschrecken feststellen, dass im Freiland auch die Ackerbohne zu den Wirtspflanzen zählt. Und auch hier kommen die Einsendungen aus allen Anbauregionen“, berichtet Dr. Ziebell. Der Virologe vom JKI beobachtet ebenfalls häufig Mischinfektionen mit anderen Viren, wie z. B. dem Pea enation mosaic virus. Nanoviren wurden in Deutschland erstmals 2009 in einem Bestand in Sachsen-Anhalt entdeckt. Sie sind ausschließlich blattlausübertragbar. Klee- und Wickenarten stellen weitere alternative Wirtspflanzen dar.

Das JKI als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen arbeitet im Bereich der Diagnose eng mit den Pflanzenschutzdiensten der 16 Bundesländer zusammen. Bei auftretenden Problemen mit Virosen aus ganz Deutschland senden die Pflanzenschutzdienste Proben an das JKI, das mit seiner ausgewiesenen Expertise in der komplexen Virusdiagnostik die Untersuchungen auch mit Hilfe der am JKI vorhandenen diagnostischen Antiseren vornimmt.

Die gesellschaftspolitisch gewollte und aus ökologischer Sicht sinnvolle Ausweitung des Leguminosenanbaus in Deutschland ist durch die Virusepidemie gefährdet. Bislang konnten keine resistenten Sorten bei Erbse oder Ackerbohne identifiziert werden. Die derzeit einzige Möglichkeit einer Bekämpfung der übertragenden Blattläuse sind Pflanzenschutzmittel mit insektiziden Wirkstoffen. Dafür ist es in diesem Jahr allerdings bereits zu spät.

 

Hintergrundinfo zur Virusentdeckung (siehe Presseinformation des JKI vom 6.9.2010):

Die virusähnlichen Symptome an Erbsenpflanzen fielen in Deutschland erstmals im Sommer 2009 in der Nähe von Aschersleben (Sachsen-Anhalt) auf. Aus verdächtigen Pflanzen wurde ein Krankheitserreger isoliert, der auffällige Vergilbungs- und Stauchesymptome an Erbsen- und Fababohnensämlingen verursachte. Nachdem alle üblichen Tests keine in Europa bekannten Viren nachwiesen, wurden die Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts in Nordafrika und im Nahen Osten fündig, wo so genannte Nanoviren an Kichererbsen und Linsen weit verbreitet sind. In Europa war diese besondere Virusart bis dahin nur in Spanien sporadisch aufgetreten. Damit wurde für Zentraleuropa erstmals ein Nanovirus nachgewiesen.