Super-Weizen gesucht: Forscher starten Deutschlands größtes Weizenzucht-Projekt

04.06.2015
Universität Hohenheim

Es ist das größte Weizenzucht-Projekt, das je in Deutschland stattfand: ZUCHTWERT will die Basis für die sogenannte Hybridzüchtung bei Weizen schaffen. „Hybrid-Weizen bringt rund zehn Prozent mehr Ertrag, ist weniger krankheitsanfällig und kommt mit Trockenstress besser klar“, erklärt Dr. Friedrich Longin, Weizen-Experte der Landessaatzuchtanstalt an der Universität Hohenheim. Doch bei Weizen hat die Hybridzüchtung bislang ihre Tücken, die die Forscher nun gemeinsam mit den Kollegen des IPK Gatersleben überwinden wollen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 5 Mio. Euro. Die Universität Hohenheim erhält davon gut 370.000 Euro, womit es zu den Schwergewichten der Forschung zählt. Die Züchter von Mais, Roggen und Zuckerrüben haben es vorgemacht: Nachdem sie auf Hybridzüchtung umgestellt haben, konnten sie die Erträge dieser Kulturen kräftig steigern. Weizen-Hybriden gibt es dagegen bislang kaum auf dem Markt. Das soll sich in Zukunft ändern: Das neue Forschungsprojekt ZUCHTWERT der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben will die Grundlagen für die Hybridzüchtung schaffen. „Hybridweizen bringt nicht nur zehn Prozent höhere Erträge. Die Resistenzzüchtung ist vereinfacht und er zeigt unter Stressbedingungen stabilere Erträge“, erläutert Dr. Friedrich Longin, Agrarwissenschaftler und Weizen-Spezialist an der Landessaatzuchtanstalt. „In Zeiten wachsender Bevölkerungszahlen und klimatischer Veränderungen sind das Vorteile von unschätzbarem Wert.“

Die Hybridzüchtung zählt zu den klassischen Zuchtmethoden. Als Besonderheit nutzt sie aber ein spezielles Phänomen: Wenn man zwei reinerbige Elternlinien kreuzt, zeigt sich die Tochtergeneration wesentlich leistungsstärker als Vater und Mutter. Die Wissenschaftler sprechen vom Heterosis-Effekt. Doch bei Weizen steckt die Hybridzüchtung noch in den Kinderschuhen: „Weizen ist ein Zwitter mit männlichen und weiblichen Bestandteilen in einer Blüte und befruchtet sich normalerweise selbst. Will man zwei verschiedene Linien kreuzen, muss man daher die Muttersorte kastrieren“, schildert Dr. Longin das Problem. Die Forscher verwenden hierfür ein chemisches Mittel, das die Bildung der männlichen Blüten unterdrückt und vom Projektpartner Saaten-Union entwickelt wurde. „Nun gilt es, die zuchtmethodischen Grundlagen zu schaffen. Zunächst müssen wir reinerbige Gruppen für die Elterngeneration identifizieren“, erläutert Dr. Longin. Die Forscher gehen das Problem auf breiter Front an: Am weltweit größten Forschungsprojekt für Hybridweizen sind außer der Universität Hohenheim und dem IPK Gatersleben auch sämtliche Weizenzüchter Deutschlands beteiligt. Gemeinsam wollen sie reinerbige Zuchtlinien finden oder generieren, die genetisch möglichst unterschiedlich sein sollen. Denn die Heterosis ist umso stärker ausgeprägt, je weniger die Ausgangslinien verwandt sind.

Ob alte Weizensorten bei der Suche nach unterschiedlichen genetischen Gruppen nützlich sind, wollen die Forscher ebenfalls klären. „Rund 5.000 solcher Linien wollen wir auf ihre Hybridleistung testen“, verrät Dr. Longin. Die genetischen Ressourcen dafür stammen hauptsächlich aus der Genbank des IPK Gatersleben. Um die Suche nach geeigneten Elternpaaren zu erleichtern, untersuchen die Forscher die Elternlinien mit Markertechnologie – eine Methode, mit der sie die Zuchtlinien genetisch charakterisieren. „Auf diese Weise können wir schon vorab Hinweise erhalten, welche Eltern-Kombinationen möglicherweise am besten geeignet wären“, meint Prof. Dr. Jochen Reif, Leiter der Abteilung Züchtungsforschung am IPK Leibniz Institut für Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. „Das erspart uns viel Zeit bei der Züchtung.“ Dennoch bleibt das Arbeitsprogramm gewaltig: Alles in allem nehmen die Zuchtunternehmen und Forscher 8.400 Weizenlinien auf ihre Bestäubereignung unter die Lupe. Sie erstellen daraus 7.920 Hybrid-Kombinationen. „Alle prüfen wir dann nicht nur auf Ertrag, sondern auch auf ihre Krankheitsanfälligkeit“, erklärt der Weizen-Spezialist. Auf dem Test-Programm stünden die wichtigsten Pilzerkrankungen des Weizens, also Fusarium, Septoria, Mehltau, Braun- und Gelbrost. Und damit die Beobachtungen nicht nur für einen bestimmten Standort stimmen, liefern die Zuchtunternehmen als Partner Daten aus ganz Deutschland. „Insgesamt planen wir über 70.000 Leistungsparzellen und fast 67.000 Beobachtungsparzellen.“

Im Augenblick stehen die ersten rund 2.000 potenziellen Elternsorten auf dem Feld. Sie werden in diesem Jahr auf ihre Eignung als Vater oder Mutter getestet. Im Herbst kommt dann auch das erste Hybrid-Saatgut in den Boden. „Am Ende des Projektes“, so Dr. Longin, „wollen wir praktikable und wirtschaftliche Zuchtmethoden in der Hand haben, auf welche die Hybridzüchtung für Weizen in Zukunft aufbauen kann.“ Das Kürzel ZUCHTWERT steht für „Zuchtmethodische Grundlagen zur Nutzbarmachung von Heterosis in Weizensorten“. Das Projekt startete am 01.09.2014 und ist zunächst bis 31.08.2017 geplant. Es wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Der finanzielle Rahmen beträgt insgesamt rund 5 Millionen Euro, die sich auf die Projektpartner verteilen. Beteiligt sind außer der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben sowie alle Weizenzüchter Deutschlands. Auf die Landessaatzuchtanstalt entfallen 370.774,72 Euro, womit ZUCHTWERT zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim zählt.